Datum: |
30.07.2017 |
Position: |
78°15,4N / 021°56,2 O |
Wind: |
S2 |
Wetter: |
heiter bis wolkig |
Lufttemperatur: |
+4 |
Das schöne Wetter des Vorabends hielt uns auch am nächsten Tag die Gesellschaft, die Meerenge des Freemansundes zwischen der Barentsøya und Edgeøya lag friedlich unter dem sonnigen blauen Himmel vor uns. Was der heutige Tag bringen würde, stand jedoch noch offen, denn jetzt befanden wir uns, unserem Expeditionsleiter zufolge, in "bärenverseuchtem" Gebiet. Beim Anblick der Landschaft - hohe Plateauberge mit steilen Hängen und langen Geröllhalden - sollte man es jetzt zu dieser Jahreszeit kaum vermuten, aber hier, in dieser Gegend, befindet sich jedes Frühjahr die große Bärenkinderstube. Auf dieser Seite Spitzbergens herrschen Schnee und Eis bis lange in das Jahr hinein, so dass viele Bärenmütter hier ihre Schneehöhlen graben, in denen sie dann ihre Jungen gebären. Wenn dann das Eis im Frühsommer mit der starken Strömung rasch verschwindet, verpassen viele Bären die Abfahrt und bleiben bis zum nächsten Herbst in der Gegend. Das bedeutete für uns, dass wir bei der Wahl unserer Landaktivitäten besonders vorsichtig sein mussten, und auch durchaus damit zu rechnen hatten, dass die geplanten Landgänge nicht ganz dort stattfinden konnten, wo unser Expeditionsteam sich das eigentlich gewünscht hätte, wenn da dann plötzlich doch ein pelziges Begrüßungskomittee schon auf uns wartete. Demnach standen auf dem Tagesplan auch keine Details. Die Zahl der Reservelösungen reichte aber schon ein Stück weit in das Alphabet hinein. Unser erster Landgang verlief jedoch nach Plan A: Besuch bei den Dreizehenmöwen in Kapp Waldburg. Unsere Guides besichtigten das Gelände gründlich, bevor die Landestelle als sicher erklärt wurde, und mit den Zodiacs waren wir schnell an Land. Nur einen kleinen Fussmarsch vom Strand entfernt, eine sanfte Anhöhe hinauf zu einem Bächlein folgend, näherten wir uns einer steilen Klippenformation, von wo aus uns auch schon ein lebendiger Lärm entgegenschlug. Hier, an den schroffen Felsenklippen, nisteten tausende der weissen Flugkünstler, und je nach Bewegungsdrang gab es für uns jetzt die Möglichkeit, dieses Spektakel von oberhalb oder von mittendrin zu bewundern.
Der Pfad am Bächlein führte nämlich mitten zwischen die Felsen, so dass wir hier den Vögeln auf Augenhöhe begegnen konnten. Küken und Erwachsene auf allen Seiten, aus vollem Hals rufend, damit die Eltern nach erfolgreicher Futtersuche den richtigen Nachwuchs im Getümmel wiederfanden. Ein fazinierendes Erlebnis! Wo es Vogelfelsen gibt, sind aber auch die Füchse nicht weit, und diejenigen von uns, die dem Pfad weiter nach oben auf das Plateau über der Kolonie gefolgt waren, bekamen diese auch bald zu Gesicht. Auch hier gab es Nachwuchs zu bewundern. Spielerisch huschten die Kleinen zwischen den Steinblöcken umher, mit gehörigem Abstand zu uns Besuchern. Für unser Mittagessen ging es wieder an Bord, weiter ging die Fahrt durch fast spiegelglatte See, den Freemansund hindurch. Für den Nachmittag war ein Besuch auf der Insel auf der Südseite geplant (Edgeøya), und während wir uns Kapp Lee näherten, versammelten sich unsere Guides an Deck und inspizierten die Umgebung durch ihre Ferngläser. Die alte Trapperhütte auf der Landzunge sah in der Nachmittagssonne richtig idyllisch aus. Sogar eine Gruppe Walrosse hatte sich dekorativ an den Strand gelegt, und auf den grünen Hügeln grasten Rentiere. Das Idyll trübte sich allerdings dann bei näherem Augenschein doch: Mittendrin...entdeckte unser Expeditionsleiter einen grossen Bären! Unser Auftauchen hatte ihn wohl aus dem Mittagschlaf geweckt, denn als die meisten von uns an Deck kamen war er hinter ein paar Steinen verschwunden. Leider war das aber keinesfalls weit genug von der geplanten Anlandestelle weg, als dass ein Ausflug hierher vertretbar gewesen wäre. Damit trat auch Plan B in Kraft: Kehrtwendung, noch mal kurz in den Freemansund zurück00 und Kurs Richtung Würzburgerhütte bei Sundneset. Kaum das die ersten von uns die Stiefel wieder an den Füssen hatten, kam jedoch erneut eine Durchsage: Wieder ein Bär im Weg! Damit war es jetzt an der Zeit für Plan C. An Land wollten wir gerne, auch mussten wir genug Abstand zwischen uns und diesen Bären bringen, und ein paar Minuten später kam auch eine geeignete Anlaufstelle in Sicht. Und was war das große Gelbe, das da oben am Hang lag...? Es sollte fast nicht möglich sein. Hatten wir nicht gute 14 Stunden im Packeis angestrengt nach Bären gespäht, bevor das erste Exemplar sich endlich blicken ließ? Und hier lagen diese Tiere auch fast wie gestreut, vom Boot aus zu weit weg, um sie mit blossem Auge erkennen zu können, aber bei Landgang nah genug, dass sie uns innerhalb kurzer Zeit nach einem neugierigen Spaziergang erreicht hätten. Dieser Bär allerdings zog sich von seinem luftigen Aussichtsplatz zurück als die Ankerkette mit lautem Rasseln ins Wasser gesenkt wurde. Er war auch so weit weg, dass unser Expeditionsteam einen Kurzausflug in die unmittelbare Umgebung für vertretbar hielt. Auch zogen wir unsere Stiefel an und befanden uns bald an der Gangway, von wo es jetzt mit den Zodiacs ans Ufer ging. Aufgrund der Umstände gab es diesmal nur zwei Aktivitätsoptionen: Strandwanderung im Dienst des Umweltschutzes unter Leitung von Irene und Tanja oder eine etwas längere Exkursion in zügigem Tempo, verteilt auf zwei Gruppen mit dem übrigen Team. Die Strandwanderer behielten den weggehenden Bären im Auge, bis er sich ins Seitental aus den Blicken entfernte. Und bei Windstille und immernoch wärmerer Sonne bot sich nun die Gelegenheit die nähere Umgebung etwas auszukundschaften. Je länger man hinsah, desto mehr Leben war zu entdecken. Auf den Balsaltklippen nisteten wieder Dreizehenmöwen, ein paar Rentiere verfolgten uns interessiert, und auch eine Schar Gänse zog vorüber. Am Wasser fanden sich auch Rippenquallen und kleine rote Steinmilben, die es jedoch zwischen den Steinen sehr eilig hatten und sich rasch unseren Blicken entzogen. Die Fossilien waren da doch einfacher zu bewundern, die lagen brav noch, wenn man sie in die Hand nahm. Nach gründlichem Auftanken an frischer Luft und wärmerer Sonne auf dem Gesicht, traten wir wieder den Weg Richtung Anlegestelle an, wo dann auch noch ein kleiner Fuchs vorbei lief. Der hatte aber offensichtlich anderweitige Verpflichtungen, denn er nahm kaum von uns Notiz und setzte seinen Weg ohne Zögern weiter fort. Auch wir lichteten den Anker und nahmen Kurs über Storfjorden in Richtung Hauptinsel. Außergewöhnlich ruhige See und weiches Abendlicht, so bot die Überfahrt einen harmonischen Ausklang eines eindrucksvollen Tages in der Arktis.