PLA14-18, trip log, Around Spitsbergen, Kvitoya

by Oceanwide Expeditions

Logbuch

Tag 1: Longyearbyen

Longyearbyen
Datum: 20.08.2018
Position: 78° 14.0’ N / 015° 37.1’ E
Wind: N 1
Wetter: wolkig
Lufttemperatur: +9

Spitzbergen! Unser arktisches Abenteuer stand unmittelbar bevor. Sonnenschein und fotogene Wolken begrüßten uns in Longyearbyen; auf den Bergkuppen lag ein Hauch von Neuschnee. Plancius lag draußen in der Bucht vor Anker, und wir fanden uns am Nachmittag am kleinen Pier ein, wo uns das Expeditionsteam bereits erwartete. Wir erhielten eine Rettungsweste und wurden stilecht mit dem Zodiac an Bord gebracht, wo uns das Hotelteam zu unseren Kabinen führte, in denen wir unser Gepäck vorfanden. Wenig später hörten wir die erste Ansage aus den Lautsprechern: Es war Zeit, sich zum obligatorischen Sicherheits-Briefing in der Lounge einzufinden. Der Zweite Offizier machte uns mit den Do’s und Don’ts an Bord bekannt und erklärte uns, was im Fall eines Notfalls zu tun ist. Wenig später ließ der Kapitän den Generalalarm ertönen. Wir gingen in unsere Kabinen, nahmen warme Kleidung und die mächtigen orangefarbenen Rettungswesten mit und fanden uns wieder in der Lounge ein. Hier wurden wir namentlich aufgerufen, und dann hörten wir den Alarm zum Verlassen des Schiffs. Als orangefarbener Vielfüßler wanderten wir an Deck, wo wir einen Blick in die Rettungsboote werfen konnten. Während Plancius den Adventfjord verließ, stießen wir mit Kapitän Alexey Nazarov auf unsere Reise an. Nach dem ersten, sehr leckeren Abendessen an Bord machten wir noch einen kleinen Rundgang an Deck; anschließend stellte sich das Expeditionsteam vor, und Hotelmanagerin Zsuzsanna machte uns mit dem Schiff und seinen Annehmlichkeiten vertraut. Kaum hatte sie geendet, kam die Durchsage: Wal in Sicht! Zwei Blauwale leisteten uns Gesellschaft – und was für eine! Im allerschönsten August-Abendlicht schien es, als wollten sie die auf ein Tänzchen einladen. Der Kapitän steuerte das Schiff behutsam um die Giganten der Meere, und wir hörten das Atmen der blauen Riesen, sahen ihre winzige Finne und wurden Zeuge, wie sie ganz nahe ans Schiff herankamen. Was für ein Abschluss unseres ersten Expeditionstags!

Tag 2: Kongsfjord: Ny-Ålesund & Ny-London

Kongsfjord: Ny-Ålesund & Ny-London
Datum: 21.08.2018
Position: 78° 56.1‘ N, 011° 55.4‘ E
Wind: E 1
Wetter: sonnig
Lufttemperatur: +4

Unser erster Morgen an Bord begann mit einem imponierenden Gletscher-panorama: Unser Frühstück genossen wir mit Blick auf den Kongsbreen, den Königsgletscher. Dort erwartete uns eine Bartrobbe auf einer Eisscholle, die das Schiff ganz nah an sich herankommen ließ und uns wunderbare Fotos bescherte. Nach dem Frühstück drehte sich zunächst alles um die Vergabe von angemessener Fußbekleidung und Christians Briefing über das richtige Verhalten im Eisbären-Reich sowie beim Schlauchbootfahren. Sobald wir alle unsere Gummistiefel abgeholt hatten, wurden die Zodiacs klargemacht, und auf ging es nach Ny-Ålesund und somit zum letzten Mal für die nächsten sieben Tage in die Zivilisation. Wir wandelten auf den Spuren von Amundsen, Ellsworth, Andrée und Nobile, die von hier aus in den 1920er Jahren ihre Versuche unternahmen, den Nordpol aus der Luft zu erreichen. Seit 1917 war in Ny-Ålesund mit einigen Unterbrechungen Steinkohle gefördert worden. Ein Grubenunglück 1963 führte jedoch zur Einstellung aller Bergbau-Aktivitäten, und seit 1967 widmet sich diese kleine Siedlung ganz der internationalen Polarforschung. Einige Stunden Landgang boten Gelegenheit zur Besichtigung des örtlichen Museums, des Souvenir-Shops sowie des Ankermasts der Luftschiffe. Nach einem ausgiebigen Mittagessen wandten wir uns der gegenüberliegenden Seite der Bucht zu und steuerten unsere Zodiacs nach Ny-London auf der Blomstrandhalbinsel (Blomstrandhalvøya). Diese konnten wir jetzt unter sachkundiger Führung unserer Guides erkunden. Drei Gruppen wurden zunächst gebildet, je nach Bewegungsdrang, und dann ging es los. Die Gruppe der Genießer nahm sich die nähere Umgebung unserer Anlegestelle vor. Hier gab es eine alte Trapperhütte sowie Reste vormaliger Industrie zu bewundern. Ernest Mansfield, ein notorischer Charakter in Spitzbergens Geschichte, hatte von 1911 an für ein paar Jahre versucht, im umliegenden Felsgrund Marmor abzubauen. Das stellte sich aber schon bald als Verlustgeschäft heraus, denn der Marmor, einmal dem Permafrost entrissen, zerbröselte wie Zucker. Weiter landeinwärts ging es bergauf zu einer kleinen Seenlandschaft. Hier hatten wir Glück: Ein Pärchen der seltenen Sterntaucher mit ihrem Nachwuchs drehte auf dem stillen Wasser seine Runden. Der fast schon flügge Jungvogel unterschied sich in der Gefiederfärbung kaum noch von seinen Eltern. Von unserer Anwesenheit ließen sich die zur frühen Brutzeit sehr scheuen Sterntaucher kaum beeindrucken. Eisenten, Schneeammern und vor allem die nur hier brütenden eleganten Falkenraubmöwen ließen unser Herz höher schlagen. Die ganz Sportlichen unter uns machten sich noch auf einen weiteren Anstieg und wurden belohnt mit einer schönen Aussicht über die nähere Umgebung sowie auf das gegenüberliegende Ufer und auf Ny-Ålesund. Wieder zurück an Bord ließen wir uns nach einem ausführlichen Recap über Blauwale und das Leben in Ny-Ålesund das Abendessen schmecken. Für den späteren Abend hielt das Expeditionsteam noch eine Überraschung bereit: Kapitän Alexey steuerte die Plancius zu später Stunde durch die enge, landschaftlich sehr beeindruckende Passage des Sørgattet hinein in die Nordwestecke Spitzbergens, und wir fuhren an der geschichtsträchtigen Walfängersiedlung Smeerenburg vorbei!

Tag 3: Hinlopenstraße: Alkefjellet & Torellneset

Hinlopenstraße: Alkefjellet & Torellneset
Datum: 22.08.2018
Position: 79° 50.0‘ N, 017° 59.0‘ E
Wind: N 2
Wetter: bedeckt
Lufttemperatur: +5

Unser zweiter Expeditionstag begann mit einem ausgiebigen Frühstück. Kurz danach erreichte die Plancius Alkefjellet, den berühmten Lummenfelsen. Ganz langsam und mit respektvollem Abstand steuerte Kapitän Alexey unser Schiff an den beeindruckenden Basaltklippen entlang, und uns bot sich ein einmaliges Bild: Tausende von Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen prägen in einem stetigen Kommen und Gehen die Szenerie, den Ton und die Gerüche am Vogelfelsen. Dicht ge-drängt sitzen die Lummen auf schmalen Felsbändern, ihren Besuchern meist den Rücken zukeh-rend. Viele Altvögel waren auch auf dem Wasser zu sehen, einige wenige bereits in Begleitung ih-res noch flugunfähigen Jungvogels. Der Großteil des diesjährigen Nachwuchses hatte offenbar je-doch seinen großen Sprung von der Kinderstube hinunter auf das Wasser noch vor sich. Wir beka-men auch gleich mehrere, unterschiedlich gefärbte Polarfüchse zu sehen, wie sie unterhalb der Klippen auf der Suche nach Fressbarem patrouillierten. Als die Plancius nach etwa zwei Stunden abdrehte, informierte uns Fritz in der Lounge über die Lumme und ihre Verwandten und darüber, welche faszinierenden Anpassungsmechanismen an die arktische Umwelt sie zu einem so erfolgreichen und hier oben bis heute häufigen Vogel hat werden lassen. Gleich im Anschluss stand das das Lunchbuffet für uns bereit. Unterdessen setzte Plancius nach Torellneset um, wo uns eine Walrosskolonie erwartete. In zwei Gruppen aufgeteilt ging es mit den Zodiacs an Land. Christian erinnerte uns noch einmal an das Protokoll für den Besuch am Walross-Hof: Eine Audienz würde uns eher gewährt, wenn wir uns ge-messenen Schrittes in einer Reihe nebeneinander und in respektvoller Stille den beeindruckenden Tieren näherten. Schritt für Schritt führten uns unsere Guides also bis auf angemessene Distanz zu den an Land ruhenden Majestäten, während das eine und andere neugierig gewordene Exemplar uns vom Wasser aus in Augenschein nahm. Dort, ganz an der Außenkante der Reihe, machte Chris-tian seinem Ruf als Walross-Flüsterer alle Ehre und erregte das Interesse einiger Tiere, die sich von seinem Ruheplatz an Land ins Wasser bewegten. Sich von den charismatischen Tieren loszureißen war wirklich nicht leicht! Im Recap präsentierte uns Gérard geologisches Hintergrundwissen zur Entstehung der Basaltklip-pen von Alkefjellet, während uns Christian und Sandra in ihrer gewohnt charmanten und manchmal auch amüsanten Art auf die geplanten Aktivitäten des morgigen Tages vorbereiteten. Nach dem Abendessen schliesslich passierte die Plancius im gemächlichen Tempo den Bråsvell-breen mit seiner schier endlosen Gletscherkante. Dies ist der südliche Auslauf der größten Eiskappe Spitzbergens, Austfonna, die den überwiegenden Teil von Nordaustland bedeckt. Die Außendecks boten reichlich Gelegenheit, sich von der faszinierenden Vielfalt der zahlreichen Eisberge mit der einen oder anderen Robbe im stimmungsvollen Abendlicht verzaubern zu lassen.

Tag 4: Kvitøya

Kvitøya
Datum: 23.08.2018
Position: 80° 03.6‘ N, 030° 55.1‘ E
Wind: W 2
Wetter: wolkig
Lufttemperatur: +4

Als Christians morgendlicher Weckruf ertönte, war unser heutiges Ziel noch gut eine Stunde ent-fernt. Noch während wir uns das Frühstück schmecken ließen, suchten unsere Guides von der Brü-cke aus nach möglichen Bären auf Kvitøya, als wir uns der Insel langsam annäherten. Es dauerte nicht lange, und sie wurden gleich mehrfach fündig, sodass eine Anlandung an der kleinen eisfreien Stelle der ansonsten völlig vergletscherten Insel nicht in Frage kam. Aber Flexibilität ist ja oberstes Gebot, und so wurde eine Schlauchbootausfahrt offeriert – eine Gelegenheit, die wir begeistert wahrnahmen. Die Dünung an der Gangway war zwar deutlich spürbar, aber der Wind und das Wet-ter spielten wunderbar mit. So fuhren wir mit unseren zehn Zodiacs von Nordosten nach Südwesten die Küstenlinie von Andréeneset entlang. Es dauerte nicht lange, da kam der erste Eisbär in Sicht. Wenig später fuhren wir an einer großen Gruppe Walrosse vorbei, die sich auf einem kleinen Fel-sen dicht zusammendrängte. Auch im Wasser waren die Stoßzahnträger zugegen, und einige von ihnen trieb die Neugier bis auf wenige Meter an unsere Zodiacs heran. Dabei kamen sie mehrfach mit dem Kopf aus dem Wasser und präsentierten uns ihre prächtigen Stoßzähne. Kurz darauf ent-deckten wir einen zweiten Eisbären. Er schlenderte direkt am Wasser unweit des nahen Walrossru-heplatzes vorbei. Es war ein prächtiges und scheinbar gut genährtes Männchen, das jedoch kein weiteres Interesse an den Walrossen erkennen ließ. Schließlich wurden wir noch auf einen dritten Eisbären aufmerksam, der allerdings zu schlafen schien. Weil es auf unserer Rundfahrt so viel zu sehen gab, wurde das Mittagessen kurzerhand nach hinten verschoben. So konnten wir noch von weitem das auf Kvitøya zu Ehren des schwedischen Abenteurers Andrée errichtete Denkmal foto-grafisch festhalten. Als wir leicht durchgefroren, aber glücklich und zufrieden auf die Plancius zu-rükkehrten, erwartete uns bereits das Mittagsbuffet – eine sehr willkommene Gelegenheit zum Aufwärmen! Unterdessen nahm die Plancius Fahrt gen Norden in Richtung Packeis auf. Am Nachmittag präsen-tierte uns Christian die Geschichte des glücklosen schwedischen Ingenieurs Salomon August Andrée, der 1897 versuchte, mit einem Wasserstoff-Ballon den Nordpol zu überfliegen. Der Ballon stürzte jedoch ab, und Andrée strandete schließlich mit seinen beiden Mitstreitern an der nun nach ihm benannten Stelle Andréeneset auf Kvitøya, wo man Überreste seiner Expedition erst 33 Jahre später fand. Zeitgleich hielt Sandra einen sehr interessanten Vortrag über das Thema Fotografie und dar-über, wie man mit einigen einfachen Kniffen zu besseren Bildern kommt. Die abendliche Rückschau mit Beiträgen von Fritz zu Küstenseeschwalben und von Shelli zu Walros-sen sowie Christians Vorschau rundeten den ereignisreichen Tag vollends ab. Schließlich gab es nichts weiter für uns zu tun, als uns das leckere Abendessen schmecken zu lassen und den Ausblick auf das Nordpolarmeer zu genießen, während sich Plancius unablässig der Meereiskante näherte.

Tag 5: Im Packeis nördlich von Spitzbergen

Im Packeis nördlich von Spitzbergen
Datum: 24.08.2018
Position: 82° 41.0‘ N, 024° 56.0‘ E
Wind: N 2
Wetter: Schneefall
Lufttemperatur: +2

In den frühen Morgenstunden tauchten die ersten Eisschollen am Horizont auf. Zuerst vereinzelt, jedoch zunehmend sich verdichtend ließen sie keine Zweifel an unserem heutigen Ziel: das Reich des Königs der Arktis. Die eine oder andere Nebelbank zog vorbei, während Plancius sich durch die ruhigen Wasser dieser nördlichsten Breitengrade schob, und zahlreiche Dreizehen- und Elfenbein-möwen umkreisten uns auf der Suche nach Polardorsch in unserem Kielwasser. Längst schon hatten wir uns aus den von Seekarten bezeichneten Gegenden entfernt, den 82. nörd-lichen Breitengrad bereits vor dem Frühstück hinter uns gelassen, als endlich das Packeis wie ein Labyrinth vor uns lag – eine Spielwiese für unser Schiff und seinen Kapitän und ein Abenteuer der besonderen Art für uns. Unsere Guides hatten bereits seit dem frühen Morgen eifrig von der Brücke Ausschau gehalten und bekamen bald Gesellschaft von den Frühaufstehern unter uns, die vom Vor-deck und der Lounge diese gefrorene Welt duch Ferngläser genauer in Augenschein nahmen. Den ersten Bären des Tages entdeckte jedoch der Kapitän selbst. Da war doch einer, zwar ein Stück weit weg, aber genau vor uns! Zuerst war er nur als gelber Fleck im Eis erkennbar gewesen, doch als dieser Fleck sich auf vier Beinen in Bewegung setzte, waren alle Zweifel beseitigt: Das war nicht noch ein weiteres Stückchen schmutziges Eis, das war der König der Arktis, der Eisbär! Vorsichtig schob sich Plancius näher an den Bären heran, und dieser schien auch zunächst nicht uninteressiert an unserem Besuch. In aller Ruhe kam er uns entgegen, immer wieder witternd die Nase in die Luft gestreckt, und bald konnte man ihn auch ohne Fernglas gut erkennen. Eine Weile später war der Bär, ein stattliches Männchen, jedoch zufrieden mit seinen Beobachtungen dieser Quelle von merkwürdigen Gerüchen, die da vor ihm aufgetaucht war, drehte ab und ging seinen kleineren und größeren Geschäften nach. Auch wir setzten unsere Reise fort und der Bär schien uns noch einige Zeit zu folgen. Vielleicht hatte auch er die dicke Bartrobbe dort hinten auf dem Eis erspäht? Das Mittagessen bot Gelegenheit, kalte Kamerafinger wieder aufzutauen, bevor der nächste Bär entdeckt wurde. Anfangs schien es sich sogar um mehr als einen Bären dort auf dem Eiskrümel zu handeln, aber nachdem wir etwas näher herangekommen waren, wurde deutlich, dass das Tier eher mit Rückenmassage beschäftigt war: Die Füße in die Luft gestreckt, räkelte dieser Bär sich genüsslich hin und her, glitt elegant von seinem kleinen Eishügel herunter, richtete sich auf und wanderte neben uns her. In der Zwischenzeit war auf der gegenüberliegenden Seite ein weiterer Bär entdeckt worden, auch dieser gemütlich auf dem Eis liegend. Zunächst schien er gar nicht wei-ter von unserem Besuch beeindruckt, hob nur schläfrig den Kopf und wählte einen kleinen Eisklum-pen als Kopfkissen, von wo aus er uns ohne Anstrengung beobachten konnte. Nach einiger Zeit stand er auf und machte ein paar Schritte auf uns zu, doch ganz offensichtlich lockte ihn sein Bett mehr, denn er legte sich bald wieder hin. Inzwischen war die Sonne auf dem Weg Richtung Hori-zont, und das milde Licht bot ausgezeichnete Verhältnisse, als unser Bär sich ausgiebig vor unseren Kameras reckte und streckte. Es war unmöglich, sich von diesem Anblick loszureißen, kalte Finger hin oder her, jedenfalls nicht, bevor nicht die ersten Kamerabatterien aufgaben. Vorsichtig ma-növrierte unser Kapitän Plancius aus dem Eisschollen-Labyrinth heraus, und wir nahmen Kurs Rich-tung Süden auf, einem neuen Tag und neuen Abenteuern entgegen.

Tag 6: Nordaustlandet: Albertinibukta & Reliktbukta

Nordaustlandet: Albertinibukta & Reliktbukta
Datum: 25.08.2018
Position: 80° 18.7’ N, 025° 13.0’ E
Wind: NE 2
Wetter: wolkig
Lufttemperatur: +5

Kurz nach Christians Weckruf standen die Türen zum Frühstücksbuffet offen. Plancius arbeitete sich in spürbarer Dünung an die Nordküste von Nordaustlandet vor, und für manche von uns war das Frühstücken bei der Schiffsbewegung eine echte Herausforderung. Ursprünglich hatte das Expeditionsteam für den Vormittag in der Albertinibukta am Schweigaard-breen eine Schlauchboot-Ausfahrt geplant. Als wir jedoch an der Ankerstelle ankamen und viele von uns vom Deck aus die wunderschöne Gletscherfront mit ihren zahllosen Blautönen bewunderten, stellte sich heraus, dass die starke Dünung an der Gangway eine Aktivität unmöglich machte. Plan B, im Nu aus dem Ärmel des Expeditionsteams gezaubert, sah vor, stattdessen die kleine Firkant-bukta anzusteuern – gesagt, getan. Auf dem Weg dorthin sichteten wir einen Eisbären am anderen Ufer der Albertinibukta; es war allerdings ein echter Pixelbär, nur mit dem Spektiv gut erkennbar – und eine Erinnerung daran, dass wir uns nach wie vor im Eisbärenland befanden. Ganz vorsichtig und langsam steuerte der Kapitän Plancius in die Firkantbukta, in der das Schiff vor-her noch nie gewesen war – ein echter Entdeckermorgen! An der Ankerstelle angekommen, ließ die Crew ein Schlauchboot zu Wasser, und Christian selbst testete die Bedingungen an der Gang-way. Für alle sicht- und hörbar war die Dünung aber auch hier zu stark für einen sicheren Betrieb der Gangway, und so kam das Zodiac wieder an den Haken, und wir setzten uns in Richtung Relikt-bukta in Bewegung, unserer Landestelle für den Nachmittag. Plan C umfasste zwei Vorträge über Eisbären, einen von Christian auf Deutsch und einen von Gérard auf Englisch, das Ganze bereits kurz nach dem Verlassen der Albertinibukta. Währenddes-sen hielt Plancius in immer noch spürbarer Dünung auf die Reliktbukta zu. Nach dem Mittagessen erreichten wir unser Ziel, und hier waren die Bedingungen gut genug, dass wir in die Zodiacs steigen konnten, um einen Landgang zu unternehmen. Nach dem Tag im Eis wa-ren viele von uns daran interessiert, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Wir teilten uns in zu-nächst drei Gruppen auf: Die „Bergziegen“ erklommen den Gipfel des Kvinberget mit einer Höhe von 350 Metern und ziemlich steilem und ausgesetztem Terrain. Sie wurden für ihre Mühen mit einem wunderschönen Ausblick reichlich belohnt. Die mittlere Gruppe, die sich kurz nach dem Start noch einmal geteilt hatte in eine etwas schnellere und eine etwas gemächlichere Gruppe, wanderte dem Sattel zwischen Reliktbukta und Minebukta entgegen. Die Genießer machten unterdessen eine Tour auf die Strandterrassen, bestaunten die geologischen Formationen des Permafrostbodens wie Steinkreise, Polygone und Eiskeilnetze, und auch für botanisch Interessierte gab es einiges zu sehen: insgesamt etwa zehn Arten, von denen "Pygmy Saxifrage" (Saxifraga hyperboreus) am häufigsten vorkam. Die atemberaubende, bunte Landschaft gefiel uns allen ausnehmend gut, und wir füllten einige Speicherkarten mit Bildern. Im Recap zurück an Bord ging es um die Pflanzen des Tages (von und mit Karin), um Flechten (von und mit Sandra) und die Pläne für morgen (von und mit Christian und Sandra), und dann hatten wir alle ordentlich Hunger nach unserem erlebnisreichen Tag. Zeit fürs Abendessen!

Tag 7: Hinlopenstraße: Faksevågen & Palanderbukta

Hinlopenstraße: Faksevågen & Palanderbukta
Datum: 26.08.2018
Position: 79° 33.1’ N, 017° 40.8’ E
Wind: NE 2
Wetter: bedeckt
Lufttemperatur: +4

Am Vormittag besuchten wir die kleine Bucht Faksevågen, einen Seitenarm des Lomfjords. Nach unseren Erlebnissen in Nordaustlandet trafen wir hier auf eine wieder ganz andere Landschaft, deutlich grüner als die bisherigen Landestellen. Wir teilten uns in die bereits bekannten vier Gruppen ein und wanderten durch die beeindruckende Szenerie. Was gab es da nicht alles zu sehen, im Großen wie im Kleinen! Zwar waren die meisten Blüten schon verblüht, dennoch fanden wir Farbtupfer von Silberwurz, Stengellosem Leimkraut und Nickendem Steinbrech. Wir stießen auf Kurzschnabelgänse und beobachteten Schmarotzerraubmö-wen, aber am spannendsten waren dann doch die Rentiere. Das Spitzbergen-Ren unterscheidet sich von den Festlandrentieren durch die viel kürzere Beine und einen höheren Anteil an Körperfett. Die Tiere, die wir auf unserer Wanderung beobachten konnten, sahen gut genährt aus, und die Bullen waren gerade dabei, die Basthaut des Geweihs abzustoßen. Auf dem Schiff stärkten wir uns am Mittagsbuffet, während sich Plancius auf den Weg in die Palan-derbukta machte – ein letzter Ausflug in die Kältewüste von Nordaustlandet, die hier wieder anders aussah als an den Vortagen. Jede Menge Nichts erwartete uns, angereichert um Walknochen, wun-derschöne Beispiele von Frostmusterböden und erstaunlich reichem Pflanzenleben. Wir fanden Fos-silien und die „Bergziegen“ stießen sogar auf Überreste eines toten Eisbären auf ihrem Weg zum Gipfel. Nach unserer Rückkehr aufs Schiff war Party angesagt! Auf dem Achterdeck hatte das Hotelteam ein reichhaltiges BBQ-Buffet aufgebaut mit Gegrilltem für jeden Geschmack, Salaten und einer leckeren Desertauswahl. Nach einem langen, spannenden Expeditionstag war das genau das Richti-ge! Mit Musik, Ausgelassenheit und Lachen klang der Abend aus, und da die meisten von uns ihre Tanzgummistiefel trugen, war auf der Tanzfläche mächtig was los – am späteren Abend sogar mit prominenten Gästen …

Tag 8: Freemansund & Storfjord: Isbjørnodden & Kapp Lee

Freemansund & Storfjord: Isbjørnodden & Kapp Lee
Datum: 27.08.2018
Position: 78° 17.5’ N, 022° 17.5’ E
Wind: NE 2
Wetter: bedeckt
Lufttemperatur: +4

Vom sanften Rollen, mit dem Plancius uns am gestrigen Abend in den wohlverdienten Schlaf ge-wiegt hatte, war heute früh nicht mehr viel zu merken. Wir hatten die Hinlopenstraße durch Sør-porten (die “Süd-Tür”) verlassen, und die Frühaufsteher unter uns hatten ausgiebig Gelegenheit, unsere Einfahrt in den Freemansund von den Außendecks zu verfolgen, ohne dass die Kamerafinger zu kalt wurden. Regelmäßig wechselnde, starke Gezeitenströmung und generell kaltes Klima zwischen Barentsøya im Norden und Edgeøya im Süden lassen das Eis in dieser engen Meerespassage zum Sommeran-fang lange hin- und hertreiben. Da fällt den örtlichen Bären der Abschied jedesmal schwer: Sie bleiben gerne bis ganz zum Schluss, sodaß sie häufig den Anschluss verpassen und dann den Rest des Sommers einfach hierbleiben – bis zum nächsten Winter. In der Zwischenzeit tun sie sich unter anderem an den zahlreichen Vogelkolonien zu beiden Seiten der Wasserstraße gütlich. Das kann Anlandungen hier schwierig machen. Das Morgenprogramm jedoch verlief genau nach Plan A. Obwohl unsere Landestelle in der Nähe von Isbjørnodden lag, war der Bär heute offensichtlich auf der anderen Seite des Sundes unterwegs, wo er mit dem Fernglas gut erkennbar als weißer Fleck oben in einem Canyon saß. Unseren Wan-derungen stand demnach nichts im Weg. Auf ging´s, auf saftig weicher Tundra in ein großes Flusstal, das bereits in allen Herbstfarben erstrahlte. Die „Bergziegen“ nahmen gleich Kurs auf die höheren Etagen, alle anderen hielten sich nach anfänglichem Anstieg auf halber Höhe des Hangs und gönnten sich einen ausgiebigen Blick auf die kleinen Moose, Gräser, Blumen und Bäume (!), die hier zahlreich und farbenfroh wuchsen. Was für ein Kontrast zum gestrigen Nachmittag mit seiner Mondlandschaft! Wieder zurück an Bord hatten wir Zeit für das Mittagsbuffet, während Plancius sich im Freemansundet vorarbeitete bis auf die Westseite, zu Doloritneset bei Kapp Lee. Auch hier war weit und breit kein Bär zu sehen, dafür gab es allerdings Walrosse zu bestaunen sowie eine ältere Trapperhütte, zwei weitere kleine Hütten jüngeren Datums sowie Fundamente aus den Zeiten der Pomoren – Jäger vom Weißen Meer, die hier Walrossen nachgestellt hatten. Dass die Jagd oft erfolgreich gewesen war, ließ sich angesichts zahlreicher, über die gesamte Landzunge verstreuter Knochenreste nicht leugnen. Heute jedoch steht das Walross unter Artenschutz, und unsere speckigen Freunde am Strand hatten nichts zu befürchten; sicherheitshalber (oder neugierdehalber?) schickten sie aber eine kleine Delegation, die uns beim Anlanden näher in Augenschein nahm. Diesmal kamen wir übrigens in den Genuss einer sogenannten Parameter-Landung, bei der unsere Guides Strand und ein Stückchen Hinterland ringsum absicherten, sodass wir uns jeder in eigenem Tempo und nach eigenem Interesse die Gegend zwischendrin angucken konnten. Nachdem wir alle mit Eindrücken und frischer Luft versorgt waren, ging es wieder zurück zur Plancius, wo wir uns nach der Zusammenfassung des Tages das Abendessen schmecken ließen.

Tag 9: Hornsund: Samarinvågen & Gåshamna

Hornsund: Samarinvågen & Gåshamna
Datum: 28.08.2018
Position: 76° 57.7’ N, 015° 38.2’ E
Wind: SW 2
Wetter: wolkig
Lufttemperatur: +6

Als wir am Morgen in den Hornsund einbogen, war es fast windstill. Die Sonne erleuchtete die fan-tastische Landschaft mit ihren markanten Bergen, breiten Gletscherfronten und flachen Küsten-streifen. Nach dem Frühstück lud uns das Expeditionsteam bei fantastischen Bedingungen zu einer Schlauchbootausfahrt im Samarinvågen ein. Wir stiegen in die Zodiacs und machten uns auf den Weg zur Gletscherfront, hindurch durch ein Labyrinth kleiner Eisstückchen, während der Hornsundt-ind im allerschönsten Morgenlicht strahlte. Es war warm und fast windstill, und mehr als zwei Stun-den lang genossen wir die Panoramafahrt, bestaunten die Vielfalt der kleinen Eisberge, erlebten Kalbungen der Gletscherfront und begegneten einer neugierigen Bartrobbe. Viel zu bald war es Zeit, zur Plancius zurückzukehren – wir hätten noch ewig so weiterfahren können! Während wir uns am Mittagsbuffet stärkten, setzte das Schiff um nach Gåshamna, wo wir am Nachmittag an Land gingen. Hier erwarteten uns alte Walknochen, um die sich regelrechte grüne Oasen gebildet hatten, und tolle Wandermöglichkeiten: Die „Bergziegen“ stiegen sehr steil hinauf auf einen Aussichtsgipfel, und auch die mittlere Wanderung führte – größtenteils im Sonnenschein und vorbei an einer Fuchsfalle, Siedlungsresten der Pomoren, größeren Trupps von Meerstrandläu-fern und Spuren eines Polarfuchses – auf einen aussichtsreichen Rücken. Hier genossen wir für ei-nige Minuten die arktische Stille, ehe wir uns auf den Rückweg machten. Als alle zurück an Bord waren, rief das Expeditionsteam zum letzten Treffen mit Informationen zum morgigen Abschied von Schiff und Team. Was viel wichtiger war: Wir bekamen Gelegenheit, mit Kapitän Alexey auf unsere fantastische Reise anzustoßen! Am liebsten wären wir gleich noch einmal eine Runde mitgefahren … … so aber genossen wir das letzte Abendessen an Bord und ließen den Abend anschließend an der Bar, in der Lounge und auf den Außendecks ausklingen – na ja, beinah. Natürlich mussten wir noch unsere Schiffsrechnungen begleichen, aber weit spannender waren die Buckelwale, die sich zu spä-ter Stunde in der Nähe der Plancius einfanden und eine gewaltige Show boten!

Tag 10: Longyearbyen

Longyearbyen
Datum: 29.08.2018
Position: 78° 14.0’ N / 015° 37.1’
Lufttemperatur: +2

Der letzte Tag unserer Reise begann mit dem Weckruf von Christian. Nach dem Frühstück ging es für uns ein letztes Mal stilecht per Zodiac an Land, nachdem wir uns vom Team der Plancius verab-schiedet hatten. Am Pier war es dann auch an der Zeit für den Abschied von Expeditionsleiter Chris-tian und seinen Mitstreitern. Ein Bus brachte uns ins Zentrum von Longyearbyen, wo wir noch eini-ge Stunden Zeit hatten, um ins Café zu gehen, Souvenirs zu kaufen oder unsere Postkarten mit Briefmarken zu versehen. Dann ging es mit dem Bus zum Flughafen. Der Abschied von Spitzbergen fiel uns nach dieser ganz besonderen Reise nicht leicht – offensicht-lich hat sich das Polar- und Expeditionsvirus auf uns ausgebreitet und bei denjenigen, die es bereits hatten, noch verstärkt. Eins steht jedenfalls fest: Wir kommen wieder! Vielen Dank für eine grandiose Reise in Eurer Gesellschaft, für Eure gute Laune und Euren Enthusiasmus. Wir würden uns freuen, Euch zukünftig wieder an Bord begrüßen zu dürfen – wo auch immer das sein mag! Auf unserer Reise zurückgelegte Strecke: 1494 Seemeilen | 2767 Kilometer Nördlichste erreichte Position: 82° 42.36’ N, 025° 41.88 ‘E Im Namen von Oceanwide Expeditions, Kapitän Alexey Nazarov, Expeditionsleiter Christian Engelke, Hotelmanager Zsuzsanna Varga und des gesamten Teams: Es war uns ein Vergnügen, mit Euch unterwegs gewesen zu sein! Kommt gut nach Hause und genießt noch lange die Bilder aus der Arktis und die Erinnerungen an eine ganz besondere Reise rund um Spitzbergen und zur Kvitøya.

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